Der Lebensweg des Hans Litten

Hans Litten

Ein unerschrockener Kämpfer für Menschlichkeit und Frieden

* 19. Juni 1903 in Halle (Saale) – † 05. Februar 1938 im KZ Dachau

Biographie

Hans Achim Litten wurde am 19. Juni 1903 als erster Sohn des Juristen Fritz Litten und seiner Frau Irmgard in Halle (Saale) geboren. 1906 zog die Familie nach Königsberg (Ostpreußen), woher die Familie Litten stammte. Hans’ Großvater Joseph hatte dort als Vorsteher der Jüdischen Gemeinde gewirkt, sein Vater Fritz war jedoch aus Karrieregründen zum Christentum konvertiert. Fritz Litten war Professor der Rechte und Dekan an der juristischen Fakultät der Königsberger Universität, deutschnational und autoritär. Schon deshalb band Hans sich mehr an die Mutter, die – aus einer Theologenfamilie stammend – kunstinteressiert und liberaler eingestellt war. Aus Opposition zum Vater begann Hans sich als Jugendlicher mit Judentum und Sozialismus zu beschäftigen, beides rote Tücher für das Familienoberhaupt. 1920 trat Hans Litten dem „Jüdischen Jugendbund“ Königsberg bei, der bald Teil des „Deutsch-Jüdischen Wanderbundes Kameraden“ wurde. Er wurde zu einem der anerkannten Führer des Bundes in Ostpreußen, später auch reichsweit. Die Verbindung von „Jugend-(bewegung) und Politik“ wie er sie 1925 in einem Artikel im Bundesblatt der „Kameraden“ forderte, wurde eines seiner Lebensthemen. Ab 1925 organisierte er, zusammen mit seinem Freund Max Fürst, den „Schwarzen Haufen“ (SH), eine Strömung innerhalb der „Kameraden“, die sich den Kampf für eine sozialistische Gesellschaft auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Nach Kontroversen wurde der SH 1927 aus den „Kameraden“ ausgeschlossen, im Folgejahr löste sich der Bund auf. Da arbeitete Hans, der sich noch einmal dem Willen des Vaters gebeugt und Jura studiert hatte, schon als Rechtsreferendar in Berlin. Seine politische Heimat hatte er in Kreisen von oppositionellen Kommunisten und Anarchisten gefunden, was ihn aber nicht hinderte, einer der wichtigsten Anwälte für die KPD-Gefangenenhilfeorganisation „Rote Hilfe zu werden. Selbst Zeuge der Zusammenstöße vom 1. Mai 1929, verteidigte er bald Arbeiter, die in diesem Zusammenhang verhaftet worden waren, und versuchte gleichzeitig die dafür Verantwortlichen, etwa den Berliner Polizeipräsidenten Zörgiebel, vor Gericht zu bekommen. Nach den ersten bedeutenden Wahlerfolgen der Nationalsozialisten im Herbst 1930 kam es zunehmend zu Auseinandersetzungen zwischen SA und Nazi-Gegnern in den Wohnvierteln der Arbeiter. Im Verfahren um eine dieser von der SA provozierten Schlägereien – im September 1930 im Charlottenburger Edenpalast – lud Hans Litten den Führer der NSDAP Adolf Hitler vor Gericht. Hitlers Vernehmung am 8. Mai 1931 sollte belegen, dass die Nationalsozialisten die Absicht hatten, mit Gewalt an die Macht zu kommen.

Litten setzte Hitler schwer unter Druck, ohne wohl ahnen zu können, wie bestimmend dieser Tag für sein weiteres Leben sein würde. Hitler zog sich aus der Affäre, indem er unter Eid erklärte, nur mit legalen Mitteln wirken zu wollen. Seitdem wurde Hans Litten in den Blättern und Versammlungen der NSDAP bekämpft.

Während seiner Berliner Jahre wohnte Hans Litten zunächst in der Auguststraße und zog 1930, zusammen mit Max und Margot Fürst, in die Koblankstrasse 1a (heute Zolastraße) gleich hinter der Volksbühne.

Hans Litten war, neben vielen „kleineren“ Prozessen, an einigen wichtigen, von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommenen Prozessen als Verteidiger oder Nebenkläger beteiligt: dem „Felsenecke-Prozess“, dem „Richardstraßenprozess“ und dem „Röntgenstraßenprozess“ (bei denen es jedes Mal um Auseinandersetzungen zwischen SA und Antifaschisten ging). Als einer der vehementesten Gegner der Nationalsozialisten wurde er noch in der Nacht des Reichstagsbrandes verhaftet und kam zunächst in die Haftanstalt Spandau. Anfang April 1933 wurde er in das KZ Sonnenburg überstellt, wo er von SS und SA schwer misshandelt und gefoltert wurde. Aufgrund verschiedener Interventionen, vor allem seiner Mutter Irmgard, die alles in Bewegung setzte, um die Entlassung von Hans zu erwirken, kam er zurück nach Spandau. Hier unternahm er, nach der erneuten Androhung von Folter, einen ersten Selbstmordversuch. Im Herbst 1933 erfolgte die Einweisung in das KZ Brandenburg, wo er erneut misshandelt und gedemütigt wurde. Im Frühjahr 1934 wurde er wieder verlegt, diesmal in das Moorlager von Esterwegen. Hier zog er sich bei der Arbeit eine schwere Beinverletzung durch eine Lore zu. Nachdem er sich im Krankenhaus für einige Monate hatte erholen können, kam Hans Litten im Sommer 1934 in das KZ Lichtenburg bei Torgau (Elbe). Hier konnte er als Buchbinder arbeiten und organisierte außerdem die Häftlingsbibliothek . Zugleich konnte er einige seiner Studien zu mittelalterlicher Literatur fortführen und es gelang ihm, junge Mithäftlinge zu ermutigen und sein Wissen an sie weiterzugeben. Mit der Auflösung der Lichtenburg als Männerlager kam Hans Litten im Sommer 1937 in das gerade entstehende KZ Buchenwald bei Weimar. Hier wurde er beim Arbeiten erneut durch eine Lore schwer am Bein verletzt. Nach Erlass der „Nürnberger Gesetze“ wurden ab Herbst 1937 alle jüdischen und „halb-jüdischen“ Häftlinge in deutschen Konzentrationslagern, darunter auch Hans Litten, in das KZ Dachau verlegt. Die jüdischen Häftlinge wurden hier zu den schwersten Arbeiten eingesetzt und immer wieder mit Blocksperren bestraft – dabei wurden Fenster und Türen abgeschlossen und die Häftlinge mussten Wochen im Block verbringen. Derart zermürbt, ohne Hoffnung auf Entlassung und schwer krank, beging Hans Litten in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1938 Selbstmord. Seine Mutter Irmgard, die bis zu seinem Ende immer für seine Entlassung gekämpft hatte, emigrierte nach England und schrieb ein Buch über ihren Kampf für ihren Sohn. Seine Freunde Max und Margot Fürst konnten 1935 nach Palästina emigrieren, 1950 kehrten sie nach Deutschland zurück.

Der Lebensweg des Hans Litten

Stationen seines Lebens

Geburtsort Halle (Saale)

– Geburtshaus Burgstraße 43 –

Foto: M. Seitz

Hans Litten wurde als ältester von drei Söhnen in einem bürgerlichen Elternhaus in Halle/Saale geboren, wo die Familie bis 1906 lebte.

Stationen seiner Inhaftierung

Zuchthaus Brandenburg

– Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden –

Zwischen 1933 und 1945 war die Strafanstalt in Brandenburg-Görden ein überregional bedeutsamer Ort nationalsozialistischer Justiz-Verbrechen. Gefangene aus dem Deutschen Reich und aus ganz Europa sowie Sicherungsverwahrte wurden hier durch überzogene Strafmaße, unmenschliche Haftbedingungen, die exzessive Ausweitung der Todesstrafe und rassenhygienische Ausmerzungsprogramme Opfer der nationalsozialistischen Diktatur. Der Strafvollzug war von Hunger, gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen und einer nach rassistischen Kriterien abgestuften Behandlung geprägt.

Bereits ab 1934 erließ die Justiz antisemitische Verordnungen im Strafvollzug. Im Zuchthaus wurde ein „Judenflügel“ eingerichtet. Jüdische Gefangene arbeiteten oft in sogenannten „Judenkolonnen“. Bei kriminellen Gefangenen befürworteten die Strafanstaltsbeamten rassenhygienische Maßnahmen wie Sterilisationen, Entmannungen und dauerhafte Inhaftnahme. Schließlich wurde sogar die Ermordung von „Minderwertigen“ von Strafanstaltsbeamten befürwortet.

Konzentrationslager Esterwegen

– Gedenkstätte Esterwegen –

1933/34 Esterwegen als staatliches Konzentrationslager
Im (Früh)Sommer 1933 entstanden in Börgermoor und Esterwegen die ersten im Deutschen Reich vollständig neu als Muster-Barackenlager vom Preußischen Staat geplanten und errichteten Konzentrationslager, Neusustrum folgte im September. Das Konzentrationlager wurde als Doppellager für 2.000 Häftlinge zwischen Juni und August 1933 errichtet. Wegen massiver Schikanen und zahlreicher Mordfälle sprachen die Häftlinge schon bald von der „Hölle am Waldesrand“. Es wurden vorwiegend politische Häftlinge in „Schutzhaft“ dort inhaftiert.

1934-1936 Esterwegen als SS-Konzentrationslager
Im April 1934 wurden die Konzentrationslager in Börgermoor und in Neusustrum in Strafgefangenenlager unter preußischer Justizverwaltung umgewandelt. Esterwegen blieb Konzentrationslager und wurde von Himmler der SS unterstellt. Die beiden Doppellager wurden zusammengelegt und eine 2,50 m hohe weiße Außenmauer gebaut. Das Häftlingslager war für 1.000 Gefangene ausgelegt, das Wachmannschaftslager in den kommenden Jahren stark ausgebaut. Nördlich angrenzend befanden sich Sportanlagen, ein Schwimmbad und die Gleisanlagen der „Moorbahn“. Unter den Häftlingen befanden sich neben Politischen weitere vom NS-Regime Verfolgte.

1937-1945 Esterwegen als Strafgefangenenlager
Im Frühjahr 1936 fiel für das Konzentrationslager Esterwegen die Entscheidung, es zum 23.09.1936 aufzulösen und die Gefangenen nach Oranienburg bei Berlin zu verlegen, wo sie beim Aufbau des neuen Konzentrationslagers Sachsenhausen eingesetzt wurden. Ab Januar 1937 übernahm das Reichsjustizministerium das Lager. Als „Strafgefangenenlager VII“ wurde es in die schließlich 15 Gefangenenlager im Emsland unter SA-Bewachung eingegliedert. Die Übernahme des Lagers hatte weitreichende bauliche Konsequenzen. Das alte Innentor wurde aufgegegen, der Häftlingsbereich vergrößert und an anderer Stelle ein neues Innentor errichtet.

Die Häftlinge waren in der Regel aus politischen, sozialrassistischen und kriminellen Gründen inhaftiert, ab 1939 befanden sich in Esterwegen viele durch Wehrmachtgerichte Verurteilte.

1943/44 Esterwegen „Lager Süd“ als NN-Lager
Von Mai 1943 bis April 1944 wurden unter strenger Geheimhaltung und scharfer Absonderung im südlichen Teil, dem sogenannten „Lager Süd“, zunächst 1.800, zeitweilig bis zu 2.700 „Nacht- und Nebel“-Gefangene (Widerstandskämpfer aus Westeuropa) untergebracht. Die Gefangenen wurden völlig isoliert und durften keinerlei Kontakt zur Außenwelt haben.